Niklas ist zweieinhalb und eine ausgesprochene Knutschkugel. Er lacht viel und flirtet mit fremden Frauen, er liebt Autos und Bälle und er hasst es, schlafen zu müssen. Niklas hat eine Behinderung. Eine ziemlich schwerwiegende sogar. Geistig und körperlich. Medizinisch ausgedrückt fehlt ihm ein Stück auf dem fünften Chromosom. Er hat ein so genanntes Cri-du-Chat-Syndrom. Die deutsche Übersetzung heißt "Katzenschreisyndrom", weil die Kinder nach der Geburt häufig auffallend hell schreien wie Katzen. Niklas wird nie selbstständig leben können und wahrscheinlich kaum sprechen lernen, soviel wissen wir von den anderen Menschen mit dieser Behinderung.
Irgendwann in der Schwangerschaft haben wir uns einmal gefragt, was wir eigentlich machen würden, wenn uns jemand sagte, unser Kind könnte behindert zur Welt kommen. Wir waren uns damals sicher, unsere Kraft würde ausreichen. Es sieht mehr und mehr danach aus, als hätten wir recht gehabt.
Vorzeichen für eine Behinderung gab es jedoch keine. Schwangerschaft und Geburt verliefen unauffällig. Aber gleich am ersten Tag beschlich uns ein ungutes Gefühl: Viel zu schlapp wirkte unser Kind, dämmrig, gerade so, als sei es noch nicht bei uns angekommen.
Erleichternde Diagnose
Der Weg bis zu Niklas' Diagnose dauerte dann unerträglich lange 16 Monate, die geprägt waren vom Wechsel zwischen wilder Hoffnung und der niederschmetternden Vorstellung, dieses Kind werde ewig auf dem Rücken liegen und vor sich hin greinen. Seit der Diagnose ist paradoxerweise alles einfacher geworden. Wir wissen, wie wir Niklas fördern können, wir haben andere Familien kennen gelernt, die uns eindrucksvoll vormachen, wie schön und normal das Leben weitergehen kann und wie liebenswert Kinder wie Niklas auch später noch sind.
Oft ist der Alltag natürlich auch alles andere als lustig. Etwa, wenn unser Sohn zum x-ten Mal seinen Schnuller ins Klo wirft, nachts um drei aus unerfindlichen Gründen heult, bei Tisch die Teller runterfegt, nicht die Treppen steigen will oder seiner Schwester die Bücher zerreißt. All das machen gesunde Kinder in dem Alter vielleicht auch, nur müssen wir die Vorstellung ertragen, dass Niklas möglicherweise in den nächsten 40 Jahren ähnlich anstrengend bleiben wird.
Ohne Frage gehört auch viel Arbeit dazu, die Partnerschaft nicht zur "Arbeitsgruppe Das behinderte Kind" verkommen zu lassen, sich immer wieder Freiräume zu verordnen, Hilfe zu holen und nicht alles alleine schaffen zu wollen. Auf der anderen Seite werden wir von der entwaffnenden Liebe eines strahlenden Kindes belohnt, das das Leben offensichtlich sehr genießt, stetig kleine Fortschrittchen macht und uns immer wieder klar macht, um was es hier eigentlich geht: einen kleinen Menschen glücklich zu machen und das geht erstaunlich einfach.
Niklas's Mutter Gesa (April 2007)
formuliert für die ARD-Themenwoche "Kinder sind Zukunft"
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