Hej-hej! So ist es bei uns in Schweden
In dieser Ausgabe des Elternbriefes möchten wir uns gerne vorstellen: Gabi und Frank mit unseren zwei Mädchen Matilda und Marie. Wir wohnen in der Nähe von Göteborg in Schweden, aber haben unsere Wurzeln in Deutschland, und deshalb fühlt es sich auch ganz natürlich an, ein wenig Kontakt zum Förderverein in Deutschland zu haben.
Matilda kam 2005 zur Welt, und die Diagnose kam ungefähr zwei Wochen nach ihrer Geburt.
Relativ schnell kamen wir in Kontakt mit einem ganzen Therapeutenteam, also Krankengymnastin, Logopädin, Arbeitstherapeutin (die ist hier für Hilfsmittel zuständig). Wir waren angenehm überrascht von soviel Unterstützung. Doch jetzt wo Matilda größer wird merken wir, dass man auch hier um vieles kämpfen muss und am besten selbst die Initiative übernimmt.
Wir möchten aber gerne ein wenig über Matildas Kindergarten erzählen. Denn dort erleben wir viel Positives. Matilda geht nun bereits seit über einem Jahr in den Kindergarten. Sie ist gerne dort und für ihre Entwicklung ist es nur positiv. Uns war es wichtig, dass Matilda sich auf irgendeine Art fort bewegen konnte, bevor sie im Kindergarten anfing. Sie hat ihre Fortbewegungstechnik deutlich verfeinert und kommt mittlerweile in den Vierfüßlerstand. Sich mit den Händen abstützend hüpft sie nach vorne. Auf diese Art und Weise hält sie gut Schritt mit allen anderen Kindern. Seit ein paar Wochen kommt sie auch alleine auf das Sofa im Kindergarten und auch zu Hause, allerdings nicht kontrolliert wieder runter. Auch zeigt sie mehr und mehr Interesse sich hinzustellen und zieht sich an ein paar wenigen Gegenständen hoch. Die Badewanne ist hier ein beliebter Helfer, wenn man Wasser einlässt! Ansonsten hat sie ihre Stehschale und seit neuestem im Kindergarten auch eine Laufhilfe. Diese Hilfsmittel ermöglichen ihr andere Perspektiven und ein anderes Dabeisein in den Aktivitäten.
Sie geht in einen integrierten Kindergarten, der nur dreizehn Kinder aufnimmt, wobei drei Kinder spezielle Bedürfnisse haben dürfen. Es gibt vier Kindergärtnerinnen und zwei davon sind ausgebildete Spezialpädagogen. Marie heißt eine der beiden und hat im September 2008 angefangen. Sie hat die Hauptverantwortung für Matilda übernommen und ist fantastisch. Sie sprudelt vor Energie und Ideen und hat obendrein noch ein großes Herz für Kinder. Aber auch die anderen sind warmherzig und ideenreich. Zusätzlich werden der Kindergarten und wir von einer Beraterin des Spezialpädagogischen Instituts betreut. Wir treffen uns regelmäßig, um einen Plan für Matilda aufzustellen. Auch Matildas Krankengymnastin und ihre Logopädin schauen regelmäßig im Kindergarten vorbei. Sie möchten gerne Matilda im Kindergarten erleben, aber auch dort mit ihr üben und das Personal anleiten oder Tipps geben. Das Neueste im Kindergarten ist ein Erlebnisraum für alle Sinne. Dazu haben sie das Bad umdekoriert. Matilda hält sich gerne dort auf. Überhaupt liebt sie Wasser und Handschuhe in allen Größen und Variationen.
Matilda nimmt am täglichen Ablauf im Kindergarten teil, allerdings arbeitet Marie auch individuell mit ihr oder in einer kleinern Gruppe von nur fünf Kindern. Sie verdeutlichen für Matilda mit ausgewählten Gegenständen, was als nächstes auf der Tagesordnung steht. Dabei steht zum Beispiel ein Löffel als Symbol für Essen, eine kleine Rassel für die Singrunde. Bei der Singrunde (sagt man in Deutschland Stuhlkreis?) ist Matilda mittlerweile etwas aktiver. Sie klatscht und stampft mit den Füssen, und wenn "Singen" erwähnt wird, sagt sie: "lalala". An ihrem Geburtstag haben sie Matilda selbst Lieder wählen lassen und für sie gesungen.
Wir haben ein Kontaktbuch für sie, in das tragen Kindergarten und wir ein, was Matilda so erlebt hat. Da Matilda Fotos liebt, kleben wir auch Fotos hinein und ermöglich ihr so den Tag noch einmal Revue passieren zu lassen. Da sie jetzt mit Gebärden angefangen hat, kann sie sogar ein wenig selbst erzählen.
Gebärden zur Unterstützung der Kommunikation sind enorm wichtig im Umgang mit Matilda. Im Kindergarten arbeiten sie daher viel mit Gebärden, auch zusammen mit den anderen Kindern. Sie haben großen Spaß daran, Gebärden zu erlernen und es ermöglicht ihnen, sich mit Matilda zu verständigen. Einige Kinder mögen gern Matildas Kontaktbuch anschauen und über ihre Erlebnisse reden. Einer der Jungs hat Matilda neulich direkt gefragt: " Und, Matilda, was hast du am Wochenende gemacht?" In einer anderen Situation hat ein Kind aus der Gruppe von seiner Oma erzählt, und da hat Matilda das Gespräch übernommen, das Zeichen für Oma gemacht und ihr Zeichen und Laut für Flugzeug. So hat sie erzählt, dass ihre Oma immer mit dem Flugzeug kommt. Matilda wächst übrigens zweisprachig auf. Frank redet Schwedisch mir ihr und ich Deutsch, Gebärden kommen ja auch noch dazu. Und wir haben den Eindruck, dass sie beide Sprachen versteht.
Noch kurz etwas zum Kommunikationsmodell, dem so genannten "Karlstadsmodell" von Irene Johannson. Dabei handelt es sich um ein durch und durch strukturiertes Modell, mit dem man eigentlich schon im Säuglingsalter anfängt. Es beinhaltet alle Bereiche der Kommunikation und alle Übungen bauen aufeinander auf. Das Modell wird hauptsächlich in den nordischen Ländern angewandt und basiert auf einer langjährigen Studie mit Kindern mit Down-Syndrom. Doch es hat sich auch bei anderen Kindern und Jugendlichen mit Sprachstörungen als Hilfe erwiesen. Es garantiert nicht die Sprache an sich zu lernen, sondern soll einen Kanal für Kommunikation öffnen. Kommt die Sprache dazu, ist es natürlich ein wichtiger Schritt in der Entwicklung. Die Übungen sollen spielerisch sein und den Interessen des Kindes entsprechen. Einig Übungsmomente werden jedoch deutlich angekündigt und abgeschlossen. Jetzt wo die Sprache noch nicht da ist, wenden wir Gebärden an und hier gilt es eben auch, den Gebärdenschatz stetig zu erweitern.
Vielleicht schaffen wir es ja mal zum Treffen in Olpe zu kommen. Dieses Jahr wird es erst einmal ein Treffen in Südschweden mit dem schwedischen Verein und dem Verein aus Norwegen. Der schwedische Verein trifft sich für gewöhnlich einmal im Jahr, an einem festen Wochenende im August. In der Regel sind wir so um die 20 Familien. Eigentlich gibt es mehr Mitglieder, aber nicht alle nehmen an den Treffen teil. Die Treffen beinhalten neben gemeinsam Aktivitäten auch interessante Vorlesungen oder Workshops.
Viele Grüße von Gabi Matildas Mutter (Juli, 2009)
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