Alter zum Zeitpunkt des Briefes: 
14.0 Jahre

Lena wurde im April 1988 per Kaiserschnitt geboren. Auch schon vor Lenas Geburt lief so manches anders als wir uns das so als junge, zukünftige Eltern vorgestellt hatten.

Zunächst war es gar nicht so sicher, ob ich schwanger war oder nicht. Die üblichen Tests waren nicht eindeutig. Ich wurde deshalb von meiner Frauenärztin zum Ultraschall geschickt und da war dann meine 1. Begegnung mit Lena: Wie ein Wirbelwind drehte sich da ein kleines Etwas in meinem Bauch und schien außergewöhnlich munter. Ab der 28. Woche war man dann mit dem Kindeswachstum nicht recht zufrieden, ich bekam die Empfehlung, mehr Obst und Gemüse zu essen. Und das Anfang März in der DDR.... Dieser Rat brachte mehr Stress als Hilfe. Frank war zu der Zeit bei der Armee und musste seinen Grundwehrdienst ableisten. Einige Untersuchungen folgten und noch immer war man nicht zufrieden. Bei mir erhöhte sich der Blutdruck, so dass mir ein Beruhigungsmedikament verordnet wurde. Am 26.04.1988 wurde ich dann stationär aufgenommen und erstmalig wurden Herztöne vom Kind abgeleitet. Die Schwester wurde ganz unruhig, die Werte gingen rauf und runter, so dass die Schwester annahm, das Gerät wäre defekt. Also schloss sie mich an ein anderes Gerät an. Die Werte waren jedoch unverändert. Daraufhin wurde mir gesagt, dass man das Kind schon heute holen müsse, denn das, was ich als Kindsbewegungen gespürt hatte, waren Wehen und die Herztöne des Kindes blieben schon zeitweise aus. Es ging dann mit dem Krankenwagen in die Charité ich durfte schon gar nicht mehr aufstehen. 5 Schwestern zogen dann gleichzeitig an mir herum, zogen mich aus und bereiteten mich auf die OP vor. Dann ging es im Lauftempo in den OP - ich auf der Trage, nur mit einem Tuch bedeckt, das im Wind wehte. Hätte mich jemand nach meinem Namen gefragt, ich hätte es nicht gewusst, es war wie ein Film der da ablief. Als ich wieder zu mir kam, erfuhr ich, dass ich ein Mädchen entbunden hatte und es Lena heißt. Kurioserweise hatte mich niemand gefragt, welchen Namen das Kind erhalten sollte, nur Frank wurde gefragt. Zum Glück waren wir uns beim Mädchennamen einig, bei einem Jungennamen wäre das etwas kritisch geworden. Lena war in der 34. Schwangerschaftswoche geboren worden, wog aber nur 1240 Gramm und war 39 cm klein.

Lena lag auf der Neo I und ab dem 3. Tag konnte ich sie dann besuchen. Frank war ab der 1. Stunde bei ihr. Nun wird ja alles gut, dachten wir.

Lena rappelte sich gut auf und schien den Sauerstoffmangel und die Aussetzer der Herztätigkeit gut verkraftet zu haben. 1 Woche später kam sie auf die Neo II und 3 Wochen später auf die Kinderstation. Dort war dann für mich nochmal ein Gang durch die Hölle eingeplant. Die Schwestern vermittelten einem bei jedem Besuch, dass man da wohl selbst dran Schuld sei und sie jetzt die ganze Arbeit hätten. Da Lena nicht trinken wollte, wurde sie über die Sonde ernährt. 3x täglich machte ich Stillversuche. Die Kommentare der Schwestern waren auch hier sehr entmutigend. So ganz nebenbei wurde ich auch informiert, dass man bei Lena einen genetischen Test machen wollte, weil die Leistenbrüche immer wieder auftraten, ein leichter Herzfehler vorlag und Lena ein auffälliges Weinen hatte. Ich fand das sehr merkwürdig, denn schließlich weinte jedes Kind halt anders. Also schenkte ich dem keine große Beachtung. Zu dieser Zeit hieß es auch, Lena werde erst entlassen, wenn sie ohne Sonde genügend Nahrung zu sich nehmen könnte. Am 22. 08.1988 wurde sie dann doch entlassen, obwohl sie noch immer per Sonde ernährt wurde. Man entließ sie mit den Worten: „Versuchen Sie es zu Hause, wir schaffen es hier nicht“. Ich war aber trotzdem sehr froh und zuversichtlich, dass das schon irgendwie gehen würde. Tja manchmal ist halt auch Naivität ganz nützlich.

Es gab dann 8 Mahlzeiten täglich, wobei 1 Mahlzeit etwa eine Stunde dauerte. Meine Mutti nahm ihren gesamten Jahresurlaub um mir zu helfen, Frank wurde 1/4 Jahr von der Armee befreit. So ganz mühselig ging es dann auch vorwärts und die Begründung für das extrem langsame Vorwärtskommen war stets, dass Sie ja ein Frühchen und die Anpassung halt sehr schwierig sei. So ging das bis zum Dezember 1988. Dann war der genetische Befund auf dem Tisch. Wir erfuhren noch nichts, der Arzt fragte in unserer Anwesenheit den Befund telefonisch ab, sagte aber nichts dazu. Ich hatte aber mitbekommen, dass da irgendwas am Chromosom 5 nicht stimmte. Vielleicht war das ja die Ursache für Lenas immer wieder auftretende Leistenbrüche, 3 Operationen waren mittlerweile notwendig geworden.

Zu Hause angekommen, sah ich dann in meinem Biologiebuch Klasse 12 nach und danach war sämtliche Zuversicht weg. Zitat: „Eine der bekanntesten Chromosomenmutationen beim Menschen ist eine Deletion an einem Chromosom 5, die das sogenannte Katzenschreisyndrom verursacht: zu kleiner Kopf, Missbildungen im Mund - und Kieferbereich sowie anderer Organe, starkes Zurückbleiben in der körperlichen Entwicklung. Idiotie, geringe Lebenserwartung.“

Als Frank nach Hause kam, wollte ich es ihm schonend beibringen, doch das ging nicht mehr. Ich konnte nur schluchzend und unter Tränen hervorbringen, was ich wusste. Frank rief sofort den Arzt in der Charite an, der den Befund abgefragt hatte. Der Arzt bestätigte in diesem Gespräch, dass da am 5 Chromosom was sei, aber er wollte mit uns persönlich sprechen und vereinbarte am gleichen Abend einen Gesprächstermin mit uns beiden in der Klinik.

Ich war jedoch so am Boden, dass ich keine Kraft hatte mitzugehen. In diesem Gespräch entschuldigte der Arzt sich dafür, dass er uns nicht gleich etwas gesagt hatte, doch die Informationen, die ihm über das Katzenschrei-Syndrom bekannt waren, stimmten nicht mit Lena überein - sie war neugierig, spitzbübisch, immer guter Laune. Organische Schäden waren nicht gefunden worden. Außer einem anfänglichen Herzfehler, der sich dann von selbst behob, war alles in Ordnung. Da Lena bei diesem Arzt in der Frühgeborenennachsorge war, hatten wir schon sehr schnell Physiotherapie und Schwimmen für Lena verordnet bekommen. Das war, wie wir dann feststellen mussten, unser großes Glück und gar nicht so selbstverständlich, denn zu DDR - Zeiten waren Kinder mit Katzenschrei-Syndrom als nicht förderfähig eingestuft, das hieß, es ist nichts zu machen, also nutzt auch eine Förderung nichts. Hätten sich unsere Ärzte darauf berufen, Lena hätte keine Therapien bekommen. Literatur zu bekommen, war ein weiteres Problem, und wenn, dann konnten die Aussagen im Bio-Buch Klasse 12 mithalten.

Nach dem einen Jahr Erziehungsurlaub wurde ich zur Volksbildung vorgeladen, ich war zum damaligen Zeitpunkt Lehrerin. Mir wurde kurz und knapp mitgeteilt, dass ich mit einem behinderten Kind sowieso andauernd ausfallen würde und man mir deshalb einen Aufhebungsvertrag nahe legen würde. Ich war damals so am Boden, ohne Perspektive, dass ich unterschrieb.

Ich war also ohne Arbeit, Pflegegeldansprüche schienen nicht zu existieren. Über den Elternkreis der evangelischen Kirche bekamen wir dann den Tipp, dass uns doch Pflegegeld in Höhe von monatlich 120 Mark zustehen würde. Also nahm ich Lena in ihrer Tragetasche, stapfte zur SED - Kreisleitung und trug dort mein Anliegen vor. Pflegegeld gäbe es nicht, sagte mir die äußerst barsche Bearbeiterin. Als ich dann den Gesetzestext zitierte bekam ich die Abfuhr, dass das ja erst nach dem ersten Lebensjahr gezahlt würde. Ebenso kurz und knapp kam dann meine Antwort, dass Lena schon 1 1/2 sei. Das saß. Sichtlich geschockt, denn Lena sah zum damaligen Zeitpunkt eher wie ein Neugeborenes aus, händigte sie mir dann doch die Formulare aus. Und weiterhin waren wir damit beschäftigt, Lena zu füttern, die Therapien aufzusuchen und die guten Ratschläge ("Ihr müsst jetzt ganz und gar für euer Kind da sein!") zu befolgen.

Das konnte nicht gut gehen und nach 2 Jahren war dann keine Kraft und keine Freude mehr in mir. Ich bat meine Ärztin um Überweisung zu einer Psychologin. Da erhoffte ich mir Trost und Mitgefühl. Die Psychologin hörte zunächst nur zu und dann kamen Fragen, mit denen ich nicht gerechnet hatte: „Und wann tun sie mal was für sich, wann legen Sie das Kind mal zur Seite?“ Das war der Anstoß, etwas zu ändern. Wir meldeten Lena in einer Heilpädagogischen Kita an. Doch auch hier gab es erst mal wieder das böse Erwachen. Ich musste unterschreiben, dass wir das Anrecht auf einen Kita - Platz verlieren würden, falls sich Lena innerhalb eines Jahres nicht weiterentwickeln würde. Doch wieder hatten wir Glück, die Leiterin beruhigte mich, dass man bisher immer Fortschritte entdeckt hatte, sei es auch nur, dass sich der kleine Finger bewegte. Das beruhigte mich. 1 Jahr später begann ich wieder etwas zu arbeiten. Ich nahm die Stelle als nichtausgebildete Hilfskraft in einer Kinderarztpraxis an. Lena fühlte sich in der Kita wohl und machte auch weiterhin Fortschritte. Da das so gut klappte, wurden wir auch wieder mutiger und lebendiger und Frank und ich begannen ein Studium. Es funktionierte, wir waren glücklich, Lena war glücklich.

Erste Wörter tauchten auf, mit 2 1/2 konnte sie sitzen, mit 4 1/2 Jahren machte Lena ihre ersten Schritte.

Mit 7 Jahren begann sie sich für Buchstaben zu interessieren und die Sprachentwicklung bekam einen richtigen Schub. Heute nähert sich Lena dem Erlesen kurzer Wörter, spricht sehr viel, so dass uns manchmal der Kopf schwirrt und ist ein fröhliches Mädchen. Seit Oktober geht Lena Reiten, was ihr recht gut tut und für sie nicht als Therapie sondern als tolles Hobby erscheint. Auch gehen wir noch immer zum Schwimmen und 1x pro Woche zur Ergotherapie.

Probleme bereiten uns Lenas Autoaggressionen, sie beißt sich die Lippen auf, kratzt sich wund und schlägt manchmal mit dem Kopf gegen Gegenstände oder den Boden. Das hat allerdings in letzter Zeit nachgelassen.

Die ersten pubertären Veränderungen im Verhalten werden deutlich, Lena ist fauler, dicker und langsamer geworden, zickt rum, streitet sich mit mir (oh doch, heute noch !!!...), und kommt Besuch, zieht sie den in ihr Zimmer, schiebt mich aus ihrem Zimmer mit den Worten „Mutti raus“ und schließt demonstrativ ihre Tür. Was sich in den Jahren immer mehr bestätigt hat, ist, dass Lena durch den Sauerstoffmangel und Herzstillstand eine Spastik entwickelt hat, die sich aber relativ gut mit der Hypotonie durch die genetische Behinderung ausgleicht. Es wird vermutet, dass diese Kombination ihr geholfen hat, das Laufen zu erlernen.

Es gibt noch viel zu berichten, aber das kommt dann mal in einem anderen Brief dran. Für heute also erst mal ein Einblick in unser Leben mit und durch Lena.

(Ich verwende die uns widerstrebende Bezeichnung „Katzenschrei - Syndrom“, da das damals die uns einzig bekannte Bezeichnung war.)

Hier melden wir uns wieder, allerdings nun mit ein paar Kurzgeschichten von und mit Lena.

1. Warum das Katzenschrei - Syndrom Katzenschrei - Syndrom heißt

Als Lena 6 Jahre alt war, wurde in Lenas Kita die Untersuchung zur Schulfähigkeit durchgeführt mit gleichzeitiger Begutachtung, welcher Schultyp für das entsprechende Kind zu empfehlen sei. Für Lena wurde erwartungsgemäß der Schultyp „Schule für Geistigbehinderte“ empfohlen, zu unserer Überraschung wurde unser Wunsch Lena ein Jahr zurückzustellen, abgelehnt. Lena war, wie auch heute noch, extrem weit in der körperlichen Entwicklung zurück, zudem ein Frühchen. Es war nicht zu verstehen, weshalb eine Einschulung mit 7 Jahren Probleme bereiten sollte. Eine Kinderneurologin sollte deshalb Lena zusätzlich untersuchen und uns in der Zurückstellung unterstützen. Wir waren also auf das Wohlwollen dieser Frau angewiesen, sonst wäre dieser Termin wohl gänzlich anders verlaufen.

Zunächst teilte uns diese Kinderneurologin mit, dass Sie Erfahrungen mit dem Katzenschrei Syndrom hätte. Interessiert fragten wir nach, wie viele Kinder sie mit dieser Behinderung kennen würde. Es war eins ( !!!!!!! ). Dann ging es los. Eine wichtige Frage war, ob denn Lena gerne schmusen würde. Ja, wenn sie dazu Lust hätte, ansonsten machte sie uns verständlich dass sie das jetzt nicht wollte, war unsere Antwort. „Ja sehen sie, genau wie eine Katze.“

Gefragt wurde auch, ob Lena ihren eigenen Willen durchsetzen wolle. „Ja sehen sie genau wie eine Katze.“

Und ob denn Lena eine klägliche Stimme hätte... „Ja sehen sie, genau wie eine Katze.“ So ging es weiter.... Wir waren geschockt, nicht nur dass diese Frau so dreist - dumm war, sondern auch, dass sie nicht einmal bemerkte, wie beleidigend sie für uns und Lena argumentierte. Ohne weiteres Interesse an dieser fachkundigen Untersuchung verabschiedeten wir uns noch so höflich wie es uns möglich war und bekamen zum Glück die Empfehlung von ihr, Lena ein Jahr zurückzustellen. Aber ein Gutes hatte diese Untersuchung ja, nun wissen wir alle, weshalb das Katzenschrei-Syndrom Katzenschrei- Syndrom heißt. Frau Dr. B. sei Dank.

PS. : Möge Euch allen so eine fachliche Koryphäe erspart bleiben!

2. Der Besuch beim Orthopäden

Lena hat Knick-/Spreiz-/Senk- und Sichelfüsse und bekam deshalb vom Orthopäden Antivarusschuhe mit Einlagen verordnet. Als diese fertig waren, stellten wir uns erneut beim Orthopäden vor, der sich von der Verbesserung dieser Maßnahme für Lenas Gangbild überzeugen wollte. Lena sollte ein paar Schritte gehen. Doch was machte Lena: sie drückte die Knie extrem durch, stellte die Hüfte schief und zog jeweils ein Bein stark humpelnd nach. Das Entsetzen des Orthopäden war groß. Auch uns blieb der Mund offen stehen. Den Arzt zu überzeugen, dass Lena hier ihr schauspielerisches Talent zeigte, war nicht so leicht, erst als Lena ganz normal davonstiefelte, atmeten alle erleichtert auf.

3. Oma und die Geographie

Lena und Oma schauen sich ein Buch über Tiere an und Oma weiß immer viel zu berichten. Dann kommt ein Eisbär und Oma erzählt : „Der Eisbär wohnt am Nordpol ... oder am Südpol ..." (Oma ist sich da jetzt ganz unsicher) aber Lena hilft weiter. Lena: „oder Whirlpool“.

4. Gesprächsversuch

Lena kann zwar recht gut sprechen, erzählt uns aber sehr wenig von der Schule. So versuchen wir mit Fragen etwas über Unternehmungen zu erfahren, aber da scheint die Pubertät mit ihrer Null-Bock-Phase auch bei Lena begonnen zu haben. Lena kommt aus der Schule und ich frage sie, wie es in der Schule war -“schön“. Was sie heut in der Schule gemacht hätte -„gegessen“, ...was es denn in der Schule zu essen gab? Da reicht es Lena, sie zeigt auf unsere Pinnwand, an der der Essensplan hängt und antwortet „Da stehts doch!“

5. Die Teststrecke

Im Rahmen ihrer Diplomarbeit suchten 2 Studentinnen aus Potsdam Kinder mit Cri-du-chat -Syndrom, mit denen sie Sprachentwicklungstests durchführen wollten. Da wir wussten, dass es nicht so viele Kinder hier im Umkreis gibt, stellten wir uns und somit Lena zur Verfügung.

Andrea und Yvonne freundeten sich schnell mit Lena an und jeder Testtermin wurde von Lena freudigst erwartet. So unansprechend auch das Bildmaterial mitunter war, so lang auch der Test dauerte, Lena liebte es, denn für sie war es „Rätsel raten“ und das liebt Lena über alles. Sobald Andrea und Yvonne das Haus betraten zog Lena sie nach oben, ganz aufgeregt mit der Aufforderung „Rätsel raten, Rätsel raten“.

6. Lena und das Rätsel raten

Lena ist kein Freund von Ruhephasen, sie will immer beschäftigt werden und fordert uns ununterbrochen. Ihr liebstes Opfer ist Oma, denn Oma hat eine Engelsgeduld und immer gute Ideen. So erfand Oma das Rätselraten. Zunächst reichten Rätsel wie „Es ist rot und man kann daraus trinken“, es folgten Rätsel wie „Es lebt im Wald, ist rotbraun und hat einen buschigen Schwanz“. Auch das wurde mit der Zeit zu leicht und Oma riet mit Lena die Hauptstädte der Welt. Da Omas Wissen auch hier irgendwann an Grenzen stieß, wurde eine Weltkarte gekauft und ein Atlas. Lena weiß heute schon bedeutend mehr Hauptstädte als wir, mittlerweile auch alle Landeshauptstädte Deutschlands. Im Moment kann ich ihren Wissensdurst mit Lauträtseln stillen z.B. Was ist das: N - A - S - E ? Oft konzentriert sie sich nicht und nur ein ähnliches Wort kommt als Lösung, aber oft erstaunt sie mich auch auf Anhieb mit der richtigen Lösung.

7. Lena und ihre Brille

Seit dem 1. Lebensjahr waren wir regelmäßig mit Lena zur augenärztlichen Untersuchung, zunächst in der Charité, dann bei der Augenärztin am Wohnort. Diese Untersuchungen fanden 2x pro Jahr statt und es war stets alles in Ordnung. Lena bevorzugte beim Fernsehgucken einen Abstand von 1m bis zum Fernseher, da das Sehvermögen aber regelmäßig kontrolliert wurde, konnte es sich also nur um eine schlechte Angewohnheit handeln und Lena wurde konsequent auf die Couch - etwa 3m vom Fernseher entfernt - gesetzt. Vor 4 Jahren zogen wir dann um und wechselten die Augenärztin vor 2 Jahren, da der Weg zur früheren Augenärztin einfach zu weit war. Das erste, was die neue Augenärztin nach Lenas Untersuchung fragte war : „Dass ihre Tochter einen Astigmatismus hat, wissen sie ja ?!“ Keinesfalls, ich wusste nicht einmal was ein Astigmatismus war. Die Augenärztin musste uns aufklären. (Astigmatismus = Bei unterschiedlicher Krümmung der Hornhaut in ihren verschiedenen Achsen werden die auftreffenden Lichtstrahlen ungleich gebeugt, das Bild ist verschwommen). Dieser Sehfehler bestand bei Lena von Geburt an und musste unbedingt mit einer Brille ausgeglichen werden. Warum das von den vorherigen Augenärzten nicht erkannt wurde, ist uns völlig unklar. Vor 2 Jahren bekam dann Lena ihre erste Brille, wir suchten eine besonders schicke und robuste Fassung aus und waren gespannt, welches Theater uns erwarten würde. Doch Lena akzeptierte vom ersten Tag ihre Janosch - Brille, fordert gleich nach dem Aufstehen ihre Brille und behandelt sie außergewöhnlich sorgsam.

8. Abnabelung

Dieses Jahr wird Lena zum 5. Mal ins Ferienlager fahren. Diese Ferienlager organisiert unser Berliner Elternverein „Eltern helfen Eltern“. Für jedes Kind (alle geistigbehindert) steht ein Betreuer zur Seite, so dass das Kind seine feste Bezugsperson hat. Die Dauer dieses Ferienlagers beträgt jeweils 10 - 13 Tage. Lena erwartete dieses Wegfahren schon immer mit großer Freude, doch kaum war sie im Ferienlager, rief uns jeden Abend eine untröstlich weinende Lena an. Die Betreuerin war schon drauf und dran aufzugeben, doch am nächsten Morgen war Lena wieder froh und munter und genoss den Tag - bis zum Abend, da kam wieder das große Heimweh. Aus dem Ferienlager zurückgekehrt, freute sich Lena schon wieder auf`s nächste Jahr. Im letzten Jahr konnte Lenas bisherige Betreuerin nicht mehr mitfahren, sie hatte inzwischen selbst ein Kind und Lena lernte die neue Betreuerin Jana kennen. Der Erstkontakt verlief sehr harmonisch.Lena verabschiedete sich völlig unbekümmert von uns und war sichtlich stolz, jetzt wieder so allein zu verreisen. Am ersten Abend kam kein Anruf, aber auch am 2. und 3. Abend kein Anruf, das war verdächtig. Hatten wir Jana die falsche Telefonnummer gegeben? Also rief ich am 4. Tag die Objektleitung an und bat um Janas Rückruf. Jana meldete sich dann auch bald und entschuldigte sich für diese Sendepause, doch Lena hatte nie den Wunsch zum Anrufen geäußert und da hatte sie keine „schlafenden Hunde“ wecken wollen. Das beruhigte uns sehr und wir vereinbarten mit Jana, nur dann anzurufen, wenn Lena darauf bestand. 3 Tage später kam dann ein Anruf von Jana, sie wolle nur mal einen Zwischenbericht abgeben, Lena gehe es gut, das Wetter sei super, Lena wäre sehr fröhlich und auf Janas Frage, ob Lena denn Papa sprechen wolle (und Papa ist Lenas Bester), antwortete Lena : „Nein, lieber Disco gehen...“

Lenas Mutter Heike (Juli 2002)

Fotoalbum

Therapeutisches Reiten
Bild Thu, 11/12/2009 - 23:54
Lena mit ihrem Bruder Moritz
Bild Thu, 11/12/2009 - 23:55