Uwe ist mittlerweile 34 Jahre, hat für seine Verhältnisse viel dazugelernt, lernt immer noch etwas dazu und braucht doch noch ständig unsere Hilfe.
Montag bis Freitag geht er von 7:30 bis 14:00 Uhr in die WfB ( Werkstatt für Behinderte). Das Aufstehen klappt einigermaßen, Morgentoilette und Anziehen erledigt er fast selbständig. Kontrolle ist immer nötig, weil er Kleidungsstücke oft verkehrt herum anzieht was vielleicht auf seine Linkshändigkeit zurückzuführen ist. Das Wetter und die passende Kleidung bekommt er nicht auf die Reihe. Schönheitskorrekturen müssen sehr oft vorgenommen werden. Zur Arbeit wird Uwe von uns mit dem Auto gefahren. Den Fahrdienst nehmen wir nicht mehr in Anspruch, weil die Anfahrzeit zur Werkstatt dann fast eine Stunde beträgt. So benötigen wir 10 Minuten. Da er auf Grund seiner verminderten Leistungsfähigkeit verkürzt arbeitet, muß er sowieso von uns abgeholt werden. Das ist für Uwe weniger Belastung, aber auch weniger Selbständigkeit. Der Vorteil aber ist, daß wir bei schönem Wetter nach Feierabend einen Spaziergang für die schlanke Linie machen können. Auf die müssen wir seit Jahren achten. Außerdem ist es noch Bewegungstherapie. Als Uwe vor einigen Jahren nur mit dem Fahrdienst befördert wurde mußten wir laufen üben. Er war im Gang sehr unsicher geworden.
Der Werkstattbesuch läuft auch nicht immer glatt. Es gibt Lob für gute Arbeit aber auch Aussprachen mit dem Werkstattleiter die bis zur Gruppenunfähigkeit gehen. Die Ursachen sind oft nicht zu ermitteln. Wir denken, daß er gereizt wird und sich mit Worten nicht wehren kann, in seiner Gestik nicht oder falsch verstanden oder einfach unterschätzt wird.
Montags haben wir am Nachmittag Krankengymnastik. Für seine Therapeutin legt sich Uwe mächtig ins Zeug. Er hat viel an Körperbeherrschung, Gleichgewichtsempfinden (steht freihändig auf dem Schaukelteller) und Beweglichkeit hinzu gelernt.
Freitags ist sein allerliebster Wochentag. Nicht nur weil Wochenende ist, sondern weil Uwe seit drei Jahren zur Logopädin gehen kann. Darüber später einmal mehr.
Dann ist endlich Wochenende. Lange schlafen, lange fernsehen oder er entschließt sich für eine Stadtbummel, Zoobesuch, oder ein Kino. Sehr gern geht er auch mit dem Papa in einen Baumarkt. Wenn wir in unsere Hütte fahren, wo Uwe eine Werkbank hat an der er nach Herzenslust schrauben und sägen kann, ist er sofort startbereit.
An der Werkbank
Zollstock
Modellauto
Wenn von all den Sachen nichts läuft ist Uwe trotzdem aktiv. Er baut mit Lego oder Playmobil, pflegt seine Barbi bis die Haare ausgehen, malt sich seine Gedanken und Probleme von der Seele dreht Papierzigaretten für den nächsten Tag, hört Radio oder Kassetten oder zappt durch alle Fernsehprogramme bis er etwas interessantes ( Medizin, Wissenschaft allgemein oder Filme mit nackter Haut ) gefunden hat. Für Uwe ist das Fernsehprogramm auch eine echte Bildungsquelle.
Legohäuser
Glücklich ist Uwe wenn es in den verdienten Urlaub geht. Ist das Urlaubsziel bekannt ist die Freude besonders groß. An die Ostsee oder nach der Lüneburger Heide kann es immer gehen. Hamburg und Bayern sind auch nicht schlecht. Neugierig ist er unter anderem auf Frankreich und Paris aber nicht auf Mallorca.
Vor vielen Jahren ist Uwe auch mit seiner Einrichtung in den Gruppenurlaub gefahren. Da gab es zwar bis fünf Minuten vor Abfahrt Probleme bis er sich von der Familie lösen konnte, aber er fuhr mit und war ein fröhlicher Urlauber. Seit die WfB nur noch eine allgemeine Ferienfreizeit anbietet und nicht mehr gewährleistet ist das ihm bekannte Bezugspersonen mitfahren, klappt nichts mehr. Nach einem mißlungenem Urlaub nimmt die Werkstatt Uwe nicht mehr mit. Das ist für seine Entwicklung hinsichtlich Abnabelung vom Elternhaus nicht förderlich und den Eltern fehlt diese Woche zum Luft holen auch sehr.
Uwe hat eine sehr enge Bindung zur Familie. Seine Geschwister, Neffen, Nichten und die Oma möchte er schon einmal die Woche sehen. Wenn das nicht möglich ist hat er große Sehnsucht.
Das angesprochene Abnabelungsproblem liegt uns als Eltern schwer im Magen. Wir wissen das es nötig und unvermeidlich ist, aber Uwe ist auch eine Persönlichkeit mit eigenen Vorstellungen. Darin kommt ein Heimplatz nicht vor. Wenn wir mal nicht mehr können dann spielt er unseren Zivi und alles wird gut.
Da haben wir noch eine harte Nuß zu knacken.
Uwes Vater Rainer (August 2003)
Alle Elternbriefe von Uwe