Alter zum Zeitpunkt des Briefes: 
6.0 Jahre

Liz- Kindergarten und bevorstehende Einschulung

Seit meinem letzten Bericht sind schon wieder zwei Jahre vergangen. Mittlerweile kümmern wir uns schon um Liz’ bevorstehende Einschulung! Die wird Liz am 8. August gleichzeitig mit ihrem 7. Geburtstag feiern. Vor zwei Monaten haben wir bereits in einer rein heilpädagogischen Schule hospitiert. In der ersten Stunde hatte ich, ehrlich gesagt, enorme Schwierigkeiten damit, dass sich dort ausschließlich "auffällige" Kinder aufhalten. Ich hatte Zweifel, ob wir Liz tatsächlich in eine "solche" Einrichtung "abschieben" sollen. Ihre Sechs-Mann-heilpädagogische-Kleingruppe ist umgeben von großen Integrations-Gruppen und einer Krippe und alles tobt oft lebhaft durcheinander. Alle Kinder verstehen sich mehr oder minder gut und die Kinder werden untereinander einfach so angenommen, wie sie sind, was in diesem Alter gut funktioniert.

Dann haben wir in der ersten großen Pause Kinder in der Halle getroffen, die Liz teilweise zwei bis drei Jahre nach der gemeinsamen Kindergartenzeit nicht mehr gesehen hat und es gab rührende Wiedersehens-Szenen. Ich konnte noch mit einer anderen Mutter sprechen, und sie hat mir aus zwei Jahren Erfahrung in der Schule erzählt. Wenn man dann noch beobachtet, wie herzlich und begeistert die Lehrer mit den Kindern arbeiten und sich die Zeit nehmen, auf jedes Kind mit seinen eigenen Bedürfnissen und Handicaps einzugehen, überzeugt einen das Konzept zunehmend. Wir haben erfahren, dass schon nach der ersten Klasse bestimmte Fächer in Kursen unterrichtet werden, ganz nach den Fähigkeiten der Kinder. Wenn ein Kind in einem Fach ein bis zwei Klassen überspringen kann oder einfach mal zwei Jahre in der selben Stufe arbeitet, ohne in Leistungsstress oder Langeweile zu verfallen, motiviert das. Wir sind uns einig, dass es Liz traurig oder vielleicht auch aggressiv machen könnte, wenn sie an einer integrativen Schule merkt, dass gesunde Kinder mit ihren Fähigkeiten an ihr vorbeirauschen. Das könnte den Spaß am Lernen doch enorm einschränken.

In unseren Augen ist es ab einem bestimmten Alter auch schwierig, sinnvoll zu integrieren. Liz hat durch unsere Freunde, ihre Schwester Lana und Treffen mit anderen Familien genug mit gesunden, gleichaltrigen Kindern zu tun. Und wir sind sehr froh, dass es nach wie vor super klappt. Liz findet meistens schnell etwas, woran sie auch Spaß hat. Bei einigen Gastgebern feuert Liz umgehend ihre eigene Kleidung in die Ecke und zieht sich nacheinander die verschiedenen Schlafanzug-Modelle der Familienmitglieder an. Oder sie stöbert in den Jogginganzug-Vorräten herum, räumt ganze Schränke aus und sucht sich im Zehn-Minuten-Takt ein neues Outfit aus. Ja, wir sind der Meinung, gute und tolerante Freunde zu haben, ist echt spitze! Wenigstens finden die Leute immer Sachen, die sie schon lange gesucht haben oder nutzen die Gelegenheit, mal wieder zu sortieren. Liz will ja nur helfen...

In der heilpädagogischen Schule werden auch wir als Eltern in den nächsten Jahren für (fast) alle Fragen einen Ansprechpartner haben. Und wenn dieser da nicht zu finden ist, bekommen wir die richtigen Kontakte genannt. Was ja auch nicht schlecht ist, wo doch bestimmt etliche Fragen auftauchen werden, wenn Liz dann erstmal flügge wird. Wie war das noch? "Man wächst mit seinen Aufgaben!"

Wir waren voriges Jahr beim Lesen des 5p-Info-Briefes total begeistert, wie viele Parallelen es zwischen den Kindern gibt: Ob es dieser zu unserem Leidwesen unglaubliche Forschungstrieb ist, der fast unbezwingbare Wille, der einen in die Knie zwingt oder diese ganz bestimmte vorwitzige Art ist. Liz beschäftigt sich immer noch super alleine. Wir müssen allerdings regelmäßig ein Auge auf sie haben, da sie gerne mal alles ausräumt, auf der Suche nach diesem einen, bestimmten Teil. Oder sie probiert mal wieder aus, in wie viele Einzelteile man Lanas Riesenpuppenhaus zerlegen kann. Auch mit Büchern, Zeitschriften und Cremetuben geht sie nicht gerade zimperlich um. Manchmal treibt es uns in den Wahnsinn, dass wir beim Laufen durch die eigene oder besuchte Wohnungen, in der wir uns mit Liz gerade aufhalten, immerzu den Radarblick schweifen lassen muss, damit nichts dessen Unversehrtheit einem am Herzen liegt, leichtsinnig herumliegt. Bei manchen Besuchen artet es, je nach Liz’ Tagesform, geradezu in Stress aus, alles in Sicherheit zu bringen. Ob Liz unbekannte Dekorationsartikel erforschen muss, tolle Bügelperlen- oder gemalte Bilder herumliegen, andere Kinder ganze Playmobil-Landschaften akribisch aufgebaut oder aus fünf Decken und sieben Kissen phantasievolle Höhlen aufgebaut haben – dies alles fordert Liz leider oft geradezu heraus, alles auf seine Beständigkeit zu prüfen. Leider kann und sollte man nicht alles gleich mit Holzleim befestigen.

Dieser Umstand ist uns natürlich noch mehr aufgefallen, als Lana das zweite Lebensjahr überschritten hat und wir den Vergleich hatten. Lana ist jetzt drei Jahre und spricht wie ein Wasserfall. Liz sagt bisher nur Mama, Papa, ja, nei (am letzten "n" arbeiten wir noch), Oma, Opa. Dafür lernt sie die GUK-Gebärden und setzt sie auch super ein. Wenn man Lana sagt: Du sollst das aus dem und dem Grund nicht machen, dann lässt sie es meistens auch sein. Liz grinst einen nur an und guckt, was bei Zuwiderhandlung passiert. Positiv gedacht ist das ganz schön pfiffig, da man merkt, dass sie dann eine bestimmte Reaktion sehen möchte. Wenn man mit Lana schimpft, ist sie echt geknickt oder beleidigt. Liz lacht sich schief, weiß bei heftigem Blödsinn aber, dass sie in ihr Zimmer gehen muss, schließt die Tür hinter sich und sitzt die kurze Zeit meistens relativ cool ab.

Liz ist sehr selbstbewusst, freut sich immer darüber, in netter Gesellschaft zu sein. Sie duscht gerne. Wenn etwas nicht klappt, kann sie total ungehalten werden. Sie verkleidet sich viel und guckt sich dann immer gerne das Ergebnis im Spiegel an. Sie schwimmt mit Flügeln und es sieht aus, als wäre sie im Wellness-Urlaub. Sie flippt aus, wenn sie ein Trampolin sieht und beim Schaukeln kann es nicht wild genug sein. Mit dem heilpädagogischen Reiten haben wir im Oktober 2008 aufgehört, da sie das Laufen seit jetzt zwei Jahren perfektioniert hat. Einen Tag nach Lanas ersten Schritten hat Liz ihre ersten erfolgreichen Gehversuche gemacht: barfuss, in Gummistiefeln, auf schrägem Untergrund (Krankengymnastin hat gestaunt!), steil auf einen Teller Spaghetti Bolognese zu. Uns hat es fast den Teller aus der Hand gehauen! Sie ist immer noch kein Langstrecken-Läufer, aber es ist unheimlich erleichternd, ihre 18,5 kg jetzt nur noch ab und zu heben zu müssen. Liz ist durch die fehlende Sprache und ihre genügsame Art bei lebhaften Gesprächen manchmal etwas im Hintergrund. Wir bemühen uns alle, sie mit Gebärden und direkter Ansprache so gut es geht einzubeziehen. Das findet sie dann immer sehr witzig.

Liz Mama Andrea (Juli 2009)

Fotoalbum

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Bin ich nicht hübsch Wir spielen Friseur
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Fingerfarbe mal wörtlich genommen
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Liz und Lana im Sommer 2008
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Urlaub in Boltenhagen an der Ostsee
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