Alter zum Zeitpunkt des Briefes: 
4.0 Jahre

Als ich seit ein paar Tagen zum fünften Mal stolzer Onkel eines Neffen geworden war, kam ich nach Hause und hörte auf meinem Anrufbeantworter die Tränen erstickte Stimme meiner Schwester Silke, Arveds Patentante, die im ersten Moment für mich schockierende Nachricht: "Arved ist behindert!"

Nachdem ich mich ein wenig gesammelt hatte, griff ich zum Telefon und erreichte meine Schwester Silke, die mir weitere Details erklärte, aber mich nicht beruhigen konnte. Tausend Gedanken und Fragen gingen mir durch den Kopf und meine größte Sorge galt in diesem Moment meiner ältesten Schwester Antje, Arveds Mutter: "Wie geht es ihr? Braucht sie meine Hilfe? Was soll ich machen?". Also griff ich erneut zum Telefonhörer, holte tief Luft und wenig später hatte ich eine traurige, aber doch positiv eingestellte Mutter am Apparat. Trotz vieler Tränen sprachen wir uns Mut zu, schmiedeten Durchhalteparolen und wussten, dass wir als Familie auch diese Herausforderung mit unserer ganzen Liebe und Verbundenheit gemeinsam meistern.

Trotzdem – oder gerade deshalb – war ich ratlos, hilflos und alleine. Es gab niemanden, der mich mal in den Arm nehmen konnte, bei dem ich weinen konnte und der mir Mut machte. Für mich brach eine Welt zusammen, bisher waren solche ungewöhnlichen Umstände immer weit weg von mir und meine wenigen Kontakte zu behinderten Menschen konnte ich an einer Hand abzählen. Was also tun? Ich nutzte den Tipp meiner Schwestern, mich mal auf eurer Homepage zu informieren. Aus der anfänglichen Scheu und Angst vor dem, was mich erwarten würde, wurde schnell viel neuer Mut und Hoffnung. Wenn mich die einzelnen Situationen auch betroffen machten, wurde doch deutlich: Arved ist anders, wird aber glücklich sein!!! Auf eurer Homepage habe ich viele Fotos gesehen, von Kleinkindern, Teenagern und Erwachsenen, und alle Fotos zeigten mir in beeindruckender Weise, dass alle Menschen mit dieser Behinderung eine ungeheure Freude am Leben ausstrahlen und Personen sind, die man nur von ganzem Herzen lieben kann!

So verbrachte ich viele Nächte vorm PC, ich habe wirklich jeden einzelnen Bericht durchgelesen und fühlte mich danach der Situation einigermaßen gewachsen. Mein erstes Treffen mit Arved war geprägt von ein wenig Unsicherheit, aber große Freude darauf, den kleinen Kerl auf den Arm zu nehmen und in mein Herz zu schließen. Warum auch nicht?. Er ist anders, aber glücklich. Als Arved mit seinen Brüdern und seiner Mutter bei unseren Eltern zu Besuch war, sah ich ihn, Arved, zum ersten Mal. Obwohl ich mir fest vorgenommen hatte, es nicht zu tun, brachen alle Dämme und ich weinte bitterlich. Für mich damals noch 115 Kilo schweren Brocken war das Treffen mit diesem kleinen Baby einfach zu viel. Harte Schale, weicher Kern – das bin ich! Und jetzt lag der Mini-Kerl in meinem Arm, strahlte mich an mit großen Augen und hielt mit seiner winzigen Hand meinen Finger fest. In diesem Moment wusste ich und hoffte ich: Arved wird in seinem Leben trotz aller Umstände einfach nur glücklich sein.

Jetzt, rund vier Jahre später, haben viele Situationen dieses Wissen immer wieder bestätigt. Arved wächst und entwickelt sich als Prachtkerl. Ich liebe meinen Arved nicht mehr, aber auch nicht weniger als meine anderen Neffen. Ich liebe ihn, wie ein Onkel seine Neffen liebt: mit ganzem Herzen und all meiner Kraft. Ich strahle, wenn ich in Arveds Gesicht sehe, dass er mich erkennt. Wenn er sich auf meinen Fuß setzt, mein Bein umklammert und sich völlig begeistert durch die Gegend tragen lässt. Noch heute klappt das Spiel mit dem "Kitzelvogel" und ich habe selten einen Menschen so herzlich dabei lachen gehört. Es ist wunderbar, wenn ich sehe, wie Arved sich in das Getümmel mit seinen Brüdern wirft und diese mal eben ins Bein beißt. Unvergleichlich auch die "Schnute", die der kleine Kerl zieht, wenn man mit ihm schimpft oder er seinen Willen nicht bekommt. Und immer wieder bringt Arved mein Herz zum Schmelzen, wenn er morgens an meinem Bett steht. Dann öffne ich langsam und vorsichtig meine Augen, und wenn er das bemerkt, zieht ein dickes, fettes Grinsen über sein Gesicht. Dann leuchten seine Augen, er hievt sich auf die Matratze und weiß ganz genau: Jetzt kann ich mit Onkel Heiko kuscheln und Blödsinn machen! Wenn einmal andere Zeiten kommen, weiß ich: Es wird immer mein Arved sein und bleiben! Ich stelle mir vor, dass es für euch als Eltern nicht immer leicht ist, aber eure Kinder die Kraft und Liebe tausendfach zurück zahlen. Und ich bin ganz sicher, sie sind wie Arved: "Anders, aber glücklich!"

Zu guter Letzt noch ein dickes Lob für die "Macher" eurer Homepage: In den ersten, auch für mich als Onkel, schweren Tagen hat mir eure Seite sehr geholfen, bange Fragen zu beantworten, Ängste zu nehmen und Mut zu fassen. Dies habe ich euch auch als Eintrag im Gästebuch hinterlassen.

Weiter so – und Danke – Heiko, der stolze Onkel von Arved

Fotoalbum

Kleiner Mann was nun
Bild Fri, 11/13/2009 - 22:07
Und dann klappt es doch
Bild Fri, 11/13/2009 - 22:08
Start mit Kürbisbrei
Bild Fri, 11/13/2009 - 22:08
Arved isst jetzt selbst
Bild Fri, 11/13/2009 - 22:09
Küsschen für meine liebsten Geschwister Juli 2008
Bild Fri, 11/13/2009 - 22:10
Mit dem Onkel unterwegs
Bild Fri, 11/13/2009 - 22:11
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