Alter zum Zeitpunkt des Briefes: 
5.0 Jahre

Niklas wurde am 11. Juli 2004 im Berliner Virchow-Klinikum geboren - zwei Wochen vorm errechneten Termin. In der Schwangerschaft gab es keine Komplikationen, allerdings waren wir in der 30. Woche zur Feindiagnostik geschickt worden, weil Niklas im Ultraschall deutlich zu klein war. Ergebnis: alles gut, Versorgung bestens, kein Grund zur Sorge. Nach einer problemlosen Geburt brachte er dann zwar unauffällige Werte mit (3050g auf 51 cm, und 32 Kopfumfang), uns Eltern beschlich allerdings sofort ein mulmiges Gefühl, weil Niklas so leise und schwach war und recht schwerfällig atmete. Ganz anders als seine zwei Jahre ältere Schwester, wirkte dieses Neugeborene wie ein aus dem Nest gefallenes Vögelchen. Die Erklärung dafür sahen wir in der Tatsache, dass die Wehen wohl durch eine heftige Magen-Darm-Grippe ausgelöst worden waren und Niklas vielleicht ähnlich unterzuckert wie ich war. In der ersten Nacht im Krankenhaus fiel Niklas´ Blutzuckerspiegel noch mal auf die Hälfte ab und er wurde zur Überwachung auf die Neonatologie verlegt. Hier sackte sein Puls regelmäßig unter 70, worauf man 5 Tage lang alle möglichen Tests machte, um einen Herzfehler auszuschließen. Es wurde nichts gefunden, man ging von allgemeinen "Anpassungsschwierigkeiten" aus und entließ uns. Drei Wochen später kamen wir zu einer Leistenbruch-OP zurück.

Das mulmige Gefühl blieb, Niklas schlief viel, war insgesamt wenig aufmerksam, und das Trinken ging nur sehr langsam. Nach drei Monaten gab ich das Stillen auf. Das Trinken aus der Flasche ging nach dreifacher Deblockierung der Halswirbelsäule problemlos, es blieb aber eine Hypotonie des Oberkörpers, die uns lange beschäftigte. Mit sieben Monaten drehte sich Niklas um die eigene Achse, das Robben begann er mit 10 Monaten, Probleme bereiteten ihm vor allem der Handstütz und damit das Krabbeln. Im Herbst fingen wir mit Bobath an, wechselten im Januar zu Vojta, und im Frühjahr war ich dann so beunruhigt, dass wir uns an ein SPZ gewandt haben. Hier fiel der Ärztin erstmals auf, dass Niklas nicht altersentsprechend lange Blickkontakt hielt, und wahrscheinlich eine geistige Behinderung im Hintergrund stehen könnte. Wir waren geschockt, und der übliche Diagnostikmarathon begann. Wochen und Monate des Wartens, wilden Hoffens und schwerer Enttäuschungen schlossen sich an, bis wir am Schluss zum obligatorischen Gentest geschickt wurden. Mit 15 Monaten wurde bei Niklas also das Cri-Du-Chat-Syndrom diagnostiziert. Und auch wenn wir zunächst sehr erschüttert waren: nun hatten wir wenigstens mehr Klarheit und das Gefühl, nicht "schuld" zu sein oder etwas versäumt zu haben!

Wir wissen, dass wir erst am Anfang einer schweren Aufgabe stehen, aber unser Sohn ist ungemein niedlich, gut gelaunt und anhänglich. Er wird von seiner älteren Schwester liebevoll und sehr resolut rangenommen, kann inzwischen – wenn auch wackelig - frei sitzen, sich an Dingen hochziehen, schnalzen, mam-mam-mam sagen und mag gerne saure Gurken und Leberwurstbrote. Seine Schwachstelle sind die Ohren: Niklas hat gerade – trotz fester Paukenröhrchen – das 11. Antibiotikum in diesem Jahr bekommen und fängt sich garantiert jeden Infekt ein. Mit 10 Monaten begann die Förderung durch eine grandiose Ergotherapeutin, jetzt mit 16 Monaten beginnt für Niklas außerdem Logopädie mit besonderem Blick auf die Gebärdensprache GuK. Das Vojta-Turnen geht auch wöchentlich weiter, und alle drei Wochen besuchen wir außerdem eine Osteopathin.

Wir sind sehr froh, diese Gruppe gefunden zu haben, die uns gerade frisch nach der Diagnose viel Mut gibt und freuen uns schon jetzt auf das Jahrestreffen im Herbst.

Niklas im September 2006 – 2 Jahre und zwei Monate

Wir sind ganz begeistert: Mit anderthalb fing Niklas an zu krabbeln, womit das Thema Vojta für uns zum Glück durch war und wir zu Bobath gewechselt haben. Jetzt mit 2 Jahren kann er – wenn auch noch sehr wackelig - laufen und futtert selbst mit Löffel.

Er mag gerne Bälle, Musik, hoppelt und klatscht begeistert dazu, Bobby-Car-Fahren, und vorm Spiegel Faxen machen. Außerdem ist er sehr gesellig, und quietscht vor Vergnügen mit, wenn andere Kinder um ihn herum tollen. Seit einem halben Jahr geht er in den gleichen Kindergarten wie seine Schwester, eine evangelische Integrationskita, gleich bei uns um die Ecke. Er isst und schläft dort auch, natürlich nur, wenn er nicht wieder eine seiner Mittelohrentzündungen hat.

Wir haben die Erfahrung gemacht, dass jedes Mal wenn Wasser im Spiel war, trotz aller Ohrenstöpsel und Badekappen, die nächste Mittelohrentzündung dran ist. Das ist insofern so fies, weil Niklas das Wasser – wie offenbar alle unsere Kinder – so ungemein liebt. Alle Ohrenärzte der Stadt kennen wir inzwischen per Du, aber so richtig helfen wird wahrscheinlich nur die Zeit…

Mit dem Sprechen geht´s (noch) nicht so recht los. Dafür fängt der Minimann jetzt mit den ersten Gebärden an: sehr niedlich! Wenn er etwa den Ohrenarzt trifft, dann breitet sich die nackte Panik auf seinem Gesicht aus, und er macht sofort entschieden die Gebärde für "Schluss!".

Nach wie vor zieht Niklas gerne Haare und kratzt – besonders im Überschwang der Gefühle als Zeichen seiner tiefen Zuneigung. Seine Schwester hat Niklas – wohl aus den gleichen Motiven -  schon zweimal heftig gebissen.

Unser Therapierprogramm besteht aus wöchentlichen Ergo – und Bobath-Terminen, alle 14 Tage gehen wir zur Logopädin. Und alle 5 bis 7 Wochen haben wir außerdem einen Termin zur Familientherapie, wo uns ein Psychologe hilft, besser mit den Tücken des Alltags umzugehen.

Niklas im Juni 2008 – kurz vorm vierten Geburtstag

Die Ohrengeschichte scheint sich – toi,toi,toi – wirklich ausgewachsen zu haben. Nach wie vor liegen feste Röhrchen, und seit jetzt fast einem Jahr gab´s keine einzige Mittelohrentzündung! Überhaupt hat sich der Gesundheitszustand toll stabilisiert. Im letzten Herbst haben wir Niklas auch noch einmal kindergartentechnisch umgetopft. Wir hatten das Gefühl, dass er in der regulären Integrationskita völlig unterging. Es gab 30 Kinder in der Gruppe und keine wirkliche Stützerzieherin. Beim Abholen kam er uns sehr gerädert vor, und auch was eine mögliche Förderung betraf, konnten wir uns nicht besonders gut in der Einrichtung durchsetzen. Jetzt ist Niklas also seit fast einem Jahr in einem heilpädagogischen Kindergarten bei den Anthroposophen, und wir sind begeistert. Er geht dort zweimal wöchentlich zur Logopädin und einmal zur Physiotherapie, in seiner Gruppe sind nur vier weitere Kinder, und überhaupt scheint ihm das gesamte Konzept (feste Rituale, viele Sing-Spiele, wenig Reize und Spielzeug, lange Spaziergänge) sehr gut zu tun. Jetzt kommt er viel selbstbewusster und fröhlicher nach Hause, ist überhaupt nicht so "zerschlagen" wie vorher.  Neben dem Schulprogramm (Niklas wird morgens um halb acht mit einem Fahrdienst abgeholt und kommt gegen 16 Uhr zurück), gehen wir inzwischen 14tägig zu der tollen Ergotherapeutin, die uns immer sagenhaft ermutigt, an der einen oder anderen Stelle regelmäßiger zu üben.

Auch sonst hat Niklas tolle Fortschritte gemacht. Er läuft jetzt richtig gut, kann schnell rennen und auch etwas hüpfen. Allerdings fällt er nach wie vor häufig hin und es gibt auch Tage, an denen er aus unerfindlichen Gründen sehr wackelig ist. Er kann inzwischen viele Wörter, beginnt mit einfachen 2 Wort-Sätzen, ist allerdings sehr schwer zu verstehen. Auf die Frage, wie er heißt, antwortet er z.B. "Nina", Eis ist "Ei", andere Wörter klappen aber schon ganz toll. Niklas kann außerdem richtig schön und fehlerfrei Melodien singen (er hat einen sehr musikalischen Opa, und es scheint, dass er hier bei der Vererbung mehr Glück hatte als mit dem 5. Chromosom).

Nach wie vor schläft er nicht so dolle, kommt nachts in seinem Schlafsack durch die ganze Wohnung zu unserem Bett gerobbt und ist auch morgens immer spätestens um 6 Uhr wach.

Für Gefahren – Straßen, Abgründe, Wasser – hat er noch kein gutes Gespür, und inzwischen ist er auch so flink, dass er uns im null komma nichts wegrennt.

Er macht natürlich auch sagenhaft viel Quatsch, schüttet gern Flaschen und Tassen aus, flutet sein Stofftier, malt Wände an…

Niklas im Juni 2009 – kurz vorm 5. Geburtstag

Niklas geht jetzt bereits seit 2 Jahren in den heilpädagogischen Kindergarten unter anthroposophischer Regie. Dort hat er zweimal wöchentlich Logopädie, außerdem Musiktherapie und Eurythmie, was ihm super gefällt. Niklas geht ausgesprochen gerne in den Kindergarten, auch wenn der mit einer langen Anreise verbunden ist. (Die 40 Minuten mit dem Fahrdienst sind allerdings für einen passionierten Autofahrer wie Niklas kein Thema.) Wir sind uns sicher, dass er seit dem Wechsel viel zufriedener, ausgeglichener und selbstbewusster ist.

Was die Entwicklung angeht, macht Niklas weiter tolle Fortschritte. Besonders niedlich ist, ihn beim Spielen zu beobachten. Er kann sich inzwischen schon recht lange beschäftigen – besonders gern mit kleinen Finger- oder Handpuppen, die er dann miteinander reden und spielen lässt. Nach wie vor ist seine Sprache sehr undeutlich und damit vor allem etwas für "Eingeweihte", aber es werden immer mehr Wörter und Formulierungen. Jetzt macht Niklas viele 3-Wort-Sätze, kann bis 10 zählen, prima klettern und laufen. Ein Leben ohne Windeln scheint allerdings noch in weiter weiter Ferne zu liegen, dafür hält sich zäh die Fähigkeit, innerhalb von Sekunden den gröbsten denkbaren Unfug anzurichten, also z.B. mit Lippenstift Wände zu bemalen, Tasten von Computer-Tastaturen abzupfücken oder überhaupt Wohnungen in Lichtgeschwindigkeit komplett zu verwüsten. Auch die allgemeine Rappeligkeit bleibt ein treuer Begleiter. Über das Thema Fernsehen ließe sich auch noch ausführlich berichten. Das ist nämlich Niklas` Liebstes, und es wird mindestens zwanzig mal täglich nach "Kika", "Pippi" oder "Autofilm" verlangt.

Trotz all dieser Marotten: Niklas ist überwiegend bestens gelaunt, freundlich und hat einen Riesenspaß am Leben. Und damit steckt er uns regelmäßig an, auch wenn wir uns vielleicht gerade mal wieder vorgenommern hatten, schwer genervt von ihm zu sein.

Niklas's Mutter Gesa (Juli 2009)

Fotoalbum

19.07.2004
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26.10.2004
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11.07.2005
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29.10.2005
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14.01.2006
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15.01.2006
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21.01.2006
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13.02.2006
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08.09.2006
27.12.2006
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30.05.2007
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11.11.2007
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11.05.2008
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07.09.2008
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12.10.2008
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12.10.2008
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12.10.2008
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19.10.2008
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