Alter zum Zeitpunkt des Briefes: 
8.0 Jahre

Sehnlichst erwünscht und ungeduldig erwartet, erblickte Christian am 23.04.91 nach einer Bilderbuchschwangerschaft, die jäh durch einen Kaiserschnitt in der 37 Schwangerschaftswoche unterbrochen wurde, das Licht der Welt. Christian wog stattliche 1930 Gramm und hatte eine Riesenlänge von 42 cm. Durch bestimmte Auffälligkeiten, die uns allen mittlerweile bekannt sind, stand die Diagnose nach ca. 3 Wochen fest. - Cri-du-chat-Syndrom -

Anfangs war die Bestürzung eigentlich noch nicht einmal so groß, da uns niemand auch nur ungefähr den Verlauf bzw. die Entwicklung unseres Kindes mitteilen konnte. Tief im Herzen wusste ich jedoch, dass da eine Lebensaufgabe zu bewältigen war. Die Eröffnung der Ärzte war für mich persönlich wie eine Kriegserklärung und diesen Krieg galt es zu gewinnen.

Nachdem Familie, Verwandten, Freunden und Bekannten unser "Schicksal"bekannt war, holte uns schnell der Alltag mit Therapien, Arztbesuchen, usw. ein.

Christian hatte Probleme bei der Nahrungsaufnahme und bekam eine Erkältung nach der anderen. Besonders die Lunge wurde im Laufe der Jahre stark strapaziert (8 Lungenentzündungen, davon 4 stationär). Dazu gesellte sich ein Hodenhochstand rechts und ein Leistenbruch links, sowie Verdauungsstörungen, die bis heute geblieben sind. Leider kam dann noch eine starke Skoliose dazu, die mit Krankengymnastik und einem Korsett behandelt werden. Zudem ist Christian Brillenträger und muss Schuheinlagen tragen. Kurzum, das Ersatzteillager der AOK wird durch uns stark strapaziert.

Christian konnte sich mit 9 Monaten vom Rücken auf den Bauch drehen und lief mit 2 Jahren an der Hand. Damals dachte ich noch, es wird schon nicht so lange dauern, bis Christian eigenständig läuft, aber ich sollte mich irren. 4 lange Jahre später und es war soweit. Diese Zeit war enttäuschend und lehrreich zugleich, da ich lernen musste, mich an Christians Tempo zu orientieren und nicht an meinen Wunschvorstellungen. Es ist mir heute nicht mehr so wichtig, wann Christian sich weiterentwickelt, sondern dass er es tut.

Das Sprachvermögen ist bei uns zur Zeit noch negativ. Böse Zungen behaupten, es liege an dem Sprachschatz der Mutter, die unseren Sohn am sprechen hindert. Wir haben statt dessen gute Erfahrungen in Bildsymbolik und Gesten bzw. Sprachanbahnung durch Gebärden gemacht.

Mittlerweile haben wir einige Probleme mit Kopfschlagen, womit er auf Verbote und "Nein" reagiert. Schlecht hören kann Christian sehr gut. Er hat einen gewaltigen Dickschädel und versucht mit allen Mitteln, sein Ziel zu erreichen. Er liebt Lkws von ganzem Herzen und fährttäglich mit seinem Papa Tankwagen. Ebenso mag er sehr gerne Wasser, Sand, Bücher oder Kataloge.

Er besucht seit Herbst 1998 die Schule und hat sich dort gut eingelebt. Am liebsten mag er Einzelzuwendung. Im Beisein anderer Kinder hält sich Christian meist zurück und benutzt mich oder seinen Papa als Leibwächter.

Wir glauben, dass Christian sich oft selber in seiner Entwicklung stört, indem er "nicht will". Er muss zu seinem Glück gezwungen werden.

Er kann selbständig essen, geht vor dem Windelwechsel zur Toilette und hilft beim An- und Ausziehen, jedoch nur unter ständiger Kontrolle und Anmahnung.

Christian ist ein fröhliches Kind und wirft sich oft weg vor lachen. Ich sage immer: "Er ist unser Sonnenschein und unser Sargnagel." (Entschuldigt bitte meinen Galgenhumor, aber er kommt von Herzen).

Neue Perspektiven sind evtl. ein Hund und eine Aggressionstherapie, die ich mir bei Erfolg patentieren lasse.

Christian ist gleichermaßen liebenswert und treibt einen oft an den Rand des Wahnsinns. Trotz oder auch wegen aller Mühen möchten wir den kleinen Mann nicht missen. Wir sind ein Team und möchten es auch bleiben. Ich finde das Urteil "Christian lebenslänglich" ist eine besondere Aufgabe, obwohl wir oft die Spontaneität vermissen, da immer alles durchorganisiert sein muss.

Für mich war das allerwichtigste in den letzten 8 Jahren, dass mein Mann zu uns gestanden hat. Auch Familie, Verwandte, Freunde und Bekannte unterstützen uns. Hier musste ich erst lernen, Hilfe anzunehmen. Unser Förderverein gibt ebenfalls Kraft und macht Mut, denn geteiltes Leid ist halbes Leid.

Damit schließe ich und wünsche Ihnen allen gute Nerven und Humor für die nächsten Jahre.

Christians Mutter Maria (Frühjahr 1999)

Fotoalbum

Christian
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