Muriels Pubertät

Begonnen hat unser Drama vor ziemlich genau zwei Jahren. Am Morgen ging Muriel fröhlich zur Schule, glücklich, dass die Weihnachtsferien vorüber waren. Zurück kam sie als Oberzicke, der man nichts mehr recht machen konnte. Dieser erste Schub dauerte ca. zwei Wochen. Danach konnte man wieder normal mit ihr reden, ohne gleich Heulanfälle auszulösen. Selber dauerte die Anspannung noch etwas länger, ist es doch kaum zu glauben, dass sich von einem Tag auf den andern einfach ein Schalter umlegt.

Bevor ich nun all die negativen Seiten aufzähle, gibt es auch noch positives an der Pubertätsfront zu vermelden. Dem Umbau des Gehirns können wir durchaus auch gute Seiten abgewinnen. Muriel versteht uns viel besser. Ich meine damit, dass sie besser reagieren kann, weil sie nun den genauen Sinn überhaupt versteht. Sie versucht sich auch besser mitzuteilen und auch mehr zu sprechen. Dies ist leider eine ziemlich unverständliche Angelegenheit. Witzig war Muriel immer schon und nun reagiert sie noch schneller auf lustige Situationen. Außerdem haben wir festgestellt, dass an guten, relaxten Tagen sogar die Vernunft ab und zu Einzug hält. Das lässt mich hoffen, dass vielleicht auch in ferner Zukunft die Situation mit ihr etwas weniger stressig wird. Vielleicht lässt sie sich dann ja von Argumenten umstimmen und nicht bloß von Körpereinsatz. Da hätte ich gar nichts dagegen, werde ich dieser körperlich doch sehr zarten Person beinah nicht mehr Herr, wenn sie sich mal was in den Kopf gesetzt hat.

Seit ihre Hormone verrückt spielen, heult sie sofort los wenn sie sich beleidigt fühlt. Sie schmeisst sich aufs Sofa, versteckt ihren Kopf und ist untröstlich. Oder sie will ganz feste getröstet werden und sucht Schutz in meinen Armen oder auf meinen Knien. Dies genieße ich dann auch in vollen Zügen, war sie doch nie das voll anhängliche Kind. Was uns aber am meisten zu schaffen macht, sind ihre unglaublichen Wutanfälle. Dann schreit sie volle Lautstärke rum, heult, reißt sich Haare aus und beisst sich in Arme und Knie. Dies kann bis zu 30 Minuten dauern und selbstverständlich sind wir meistens irgendwo unterwegs. Dies sind total unmögliche Situationen, weil wir dem so hilflos gegenüberstehen. Wir haben noch kein schlaues Mittel gefunden um sie schneller wieder runterzuholen. Außer ich verliere total die Nerven und werde grob. Doch dies will ich ja gar nicht und außerdem bin ich danach total ausgelaugt und hab ein riesig schlechtes Gewissen. Es ist schon erstaunlich,wie sie es immer wieder schafft uns an den Abgrund zu treiben. Hätte ich nie gedacht, dass mich mein eigenes, wirklich auch liebes Kind so aggressiv machen kann.

Nun, die guten Tage mit Muriel sind wirklich lustig und angenehm und wir hoffen fest, dass diese Dank der Pubertät zunehmen werden. Wenn es so läuft wie ich hoffe, werden wir eine Erwachsene haben, die den Umgang mit Menschen immer noch liebt, aber nicht mehr Allen in allem ihren starken Willen aufzwingt. Vielleicht bekommen wir ja auch ein paar Kompromisse hin. Wir, alle zusammen.

Dinah Baumann