Vor fast drei Jahren ist Caroline in die Schule gekommen. Weil wir im Kindergarten gute Erfahrungen mit dem gemeinsamen Lernen von behinderten und nicht behinderten Kindern gemacht haben, haben wir für Caroline eine Regelschule ausgesucht. Caroline geht in die dritte Klasse einer Grundschule im Nachbarort, die bereits seit vielen Jahren behinderte Kinder aufnimmt. Uns hat die positive Grundhaltung der Schule gegenüber allen Kindern gefallen. Obwohl die Schule nicht mehr Lehrer oder Mittel als andere Schulen hat, vermittelt die Schule das Gefühl, das jedes Kind willkommen ist. Eine Garantie für ein Gelingen hat die Schule allerdings nicht gegeben. Es existiert an der Schule kein fertiges System für behinderte Kinder. In der ersten Zeit gab es daher jede Menge ungeklärte Fragen: Woher bekommen wir eine geeignete Integrationskraft? Wie kommt Caroline zur Schule und zurück? Wann und wo laufen die Therapien? Wer begleitete sie zu den Therapien? Was ist, wenn die Integrationskraft krank ist? Kann Caroline an den Angeboten der Betreuung oder des offenen Ganztags teilnehmen? Diese Fragen zu klären hat mich im ersten halben Jahr eine Menge Kraft gekostet. Zum Glück hat uns die Schule bisher immer unterstützt, individuelle und unkonventionelle Lösungen zu finden. So isst Caroline seit kurzem einmal die Woche in der Schule und wird zu allen Therapien von ihrer Integrationskraft begleitet. Vor zwei Jahren haben wir nach einigen Reinfällen mit Renate eine tolle Integrationskraft gefunden. Renate holt Caroline morgens ab, begleitet sie in der Schule und bringt sie mittags nach Hause. Die Sonderpädagogin ist nur wenige Stunden in der Woche in Carolines Klasse. Ohne eine so fähige Integrationskraft würde es daher vermutlich schwierig. Caroline fühlt sich wohl in ihrer Klasse und geht gerne zur Schule. Sie ist das einzige behinderte Kind in ihrer Klasse. Sie hat eine engagierte Klassenlehrerin, ist eine beliebte Spielkameradin und wird in der Schule gut akzeptiert. Auch nach der Schule trifft sie sich manchmal mit Klassenkameraden.
Trotz des höheren Zeitaufwandes und einem System, das noch in den Kinderschuhen steckt, war die Schulwahl für Caroline und unsere ganze Familie richtig. Ich sehe es als Chance, dass man jede Menge mitbestimmen und Dinge anstoßen und verändern kann. Auch nach der Grundschulzeit werden wir es deshalb nochmal mit einer Regelschule versuchen.
Weil ich so lange nicht über Caroline berichtet habe, hier noch ein Überblick über Carolines Fortschritte, Vorlieben, Macken und Hilfsmittel:
Laufen: Mit 5 Jahren pünktlich zur Geburt unseres dritten Kindes hat Caroline endlich angefangen zu laufen. Mittlerweile hat sie einen relativ stabilen Gang. Wenn man sich genug Zeit und Geduld einpackt, schafft sie mittlerweile Strecken von 3 km. Für längere Wege haben wir den Fahrradanhänger und Buggy „benecycle“.
Sprechen: Caroline kann sprechen, ist aber für Fremde sehr schwer zu verstehen. Deshalb hat sie vor zwei Jahren einen Talker (Accent 800) bekommen. Sie arbeitet manchmal in der Schule mit dem Talker und wir nutzen ihn täglich anstatt eines Mitteilungsheftes. Ich kann bisher noch nicht sagen, ob Caroline den Talker später einmal regelmäßig zur Kommunikation mit Fremden nutzt. Ich bin da momentan eher skeptisch.
Fahrrad: Caroline ist seit einigen Monaten stolzer Besitzer eines Therapierades. Wir haben uns für das Liegedreirad Trix von Hase entschieden. Caroline ist restlos begeistert und kann viel besser mit dem Gefährt umgehen als wir das gedacht hätten. Für Touren kann man das Rad an ein Fahrrad ankoppeln.
Verhalten: Eigentlich kennt Caroline die Regeln und weiß, was man darf und was nicht. Eigentlich. Das Problem ist, dass sie Zuhause eine ziemlich lange Leine im und ums Haus hat. Das macht sie zwar selbstständig, kostet uns aber jeden Monat mehrere Tuben Zahnpasta, Spülmittel und Nerven. Caroline kann in solchen Momenten nicht anders. Während sie sich durchaus einen ganzen Nachmittag sinnvoll beschäftigen kann, macht sie an manchen Tagen Quatsch am laufenden Bande. Caroline liebt es, wenn wir mit ihr schimpfen und uns dabei so richtig aufregen. Sie lacht dann und klatscht. Das macht mich wahnsinnig. Eigentlich wissen wir, das aufregen und laut werden nichts nützt. Eigentlich. Die größte Wirkung erzielt man, wenn man ruhig aber bestimmt sagt, was einem nicht passt und Caroline wenn nötig ohne viele Worte in ihr Zimmer bringt, bis sich alle beruhigt haben.
Toilettentraining: Ich habe die Hoffnung, dass Caroline in den nächsten Jahren trocken wird. Sie hat regelmäßig Erfolge auf der Toilette. Im Moment haben wir allerdings noch keine Nerven für einen ernsthaften Versuch, weil unsere Jüngste auch noch nicht zuverlässig auf Toilette geht.
Hobbies: Einmal in der Woche geht Caroline mit einer Betreuerin zum Tanzen, anschließend verbringen die beiden den Nachmittag zusammen. Außerdem geht Caroline mit anderen Kindern zum Reiten. Die Reitlehrerinnen sind derart entspannt, dass das auch ohne zusätzliche Betreuung prima klappt.
Familienleben: Wir haben einen sehr engen Kontakt zu meinen Eltern und zu den Familien meiner Schwestern. Fast überall wo wir hingehen, findet sich eine Tante, eine Oma oder eine Cousine, die Caroline gut kennt und mit auf sie achtet. Das entlastet uns ungemein und ermöglicht uns, Caroline überall hin mitzunehmen. Einmal in der Woche ist Caroline nach der Schule bei meinen Eltern. In unserer Kernfamilie profitiert Caroline von ihren beiden jüngeren Geschwistern und deren Freunden. Sie mag es, wenn um sie herum etwas los ist.
Wesen: Caroline ist ein offenes Mädchen, das schnell Kontakt findet. Fremde Kinder oder Erwachsene reagieren zwar zunächst verwundert oder belustigt, aber fast nie ablehnend. Caroline auszulachen ist unmöglich. Sie lacht dann einfach mit und nimmt so ihrem Gegenüber den Wind aus den Segeln. Caroline kann furchtbar stur sein. Wenn sie etwas nicht möchte, lässt sie sich zu Boden fallen oder beißt und trampelt. Dann helfen nur unkonventionelle Einfälle und jede Menge Nerven. Caroline hat viel Witz. Sie mag Quatschreime, Bücher und Lieder. Caroline liebt es mit Wasser zu spielen. Sie beschäftigt sich gerne mit Schleichtieren und ist verrückt nach Schaukeln. Darin ist sie mittlerweile richtig gut. Caroline schlüpft häufig in andere Rollen. Unserer Familie teilt sie dann als Regisseur passende Rollen zu. Nach unsrem Cri du Chat Wochenende leben so viele von euch in unserer Familie weiter.
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