oder: die Gartenschau und ihre Gesichter
Heute schreibe ich mal selbst oder besser gesagt – ich lasse schreiben. Das macht man nämlich so als Star, da tut man nicht mehr viel selbst. Also habe ich Mama als Sekretärin engagiert. Ja, ja, ihr habt schon richtig gelesen. Ich bin unter die Stars gegangen. Und wie es dazu kam, erzähle ich euch jetzt:
Hier in Kaiserslautern gibt es die Gartenschau, deren Saison ab April beginnt. Deshalb war Anfang Januar auch ein Bericht in der Tageszeitung. Darin stand, dass die Gartenschau mit einer neuen Plakataktion werben will und dass dafür Personen gesucht werden. Kinder, Gruppen, ältere Menschen, ganz egal wer. Auch wurde erwähnt, dass der integrative Aspekt keine geringe Rolle spielt. Man musste sich nur mit einem Foto bewerben und begründen, warum man die Gartenschau toll findet. Das alles hat meine Mama gelesen und sich gefragt, ob man auch ein behindertes Kind für solch eine Aktion auswählen würde (immerhin gehört unsere Gartenschau seit neuestem zum überwiegenden Teil der Lebenshilfe). Und dann wollte sie es genau wissen, hat "dem Teufel auf den Kopf getreten" wie man bei uns so schön sagt, und für mich eine kurze Bewerbung geschrieben – die ich natürlich mit meinem Handabdruck unterschreiben durfte – und ein Foto aus dem Kindergarten hingeschickt. Immerhin sollte ja jeder Bewerber als Dank eine Tageskarte für die Gartenschau bekommen und das alleine wäre es schon wert gewesen.
Dann aber erwischte uns alle nacheinander die Grippe und wir hatten die Plakataktion auch schnell vergessen. Doch plötzlich rief jemand von der Gartenschau an und sagte, dass man mich aus mehr als hundert Bewerbungen ausgewählt hätte. Ich sollte mit einigen anderen Kindern zusammen fotografiert werden und auf ein Plakat kommen. Das war dann irgendwie doch überraschend. Mama hat aber gesagt, dass sie nicht wüsste ob ich bei dem Fototermin dabei sein könnte, weil ich ja krank war.
Als der große Tag dann da war, ging es mir zwar besser, aber nicht richtig gut. Ich hatte gar keine so große Lust mich fotografieren zu lassen. Auch noch in Sommerkleidung.... und das im Februar! Mama hatte sich schon gefragt, wie die bei mir die ganze Winterblässe wegschminken wollen. Na ja, ich durfte jedenfalls im Fotostudio in die Maske, wo mir eine Frau das Gesicht mit einem Schwämmchen abgepudert hat. Das war schon ein bisschen lustig. Vor allen Dingen hatte die so ein Döschen mit einem Spiegel drin und auf Spiegel stehe ich total! Leider hat Mama dazwischengefunkt, als ich den Spiegel ablecken wollte – sie sieht aber auch fast alles! Außerdem hatte die Frau einen Kamm und ich liiiiiiebe Kämme!!! Ich weiß schon dass sie zum Haare kämmen sind, aber viel besser finde ich es ja, die Zinken an den Zähnen zu reiben, das fühlt sich wunderbar an und macht immer "rtsch, rtsch". In der Maske durfte ich das aber auch nicht. Mama sagt, das darf ich nur mit meinem eigenen Kamm. Schade!
Nachdem ich dann ein bisschen auf Mamas Schoß gesessen und beim Fotografieren zugesehen hatte, brachte sie mich zu den anderen Kindern. Die waren alle älter als ich und auch nicht behindert. Ich mag andere Kinder sonst gerne, aber an dem Tag wollte ich viel lieber bei Mama bleiben. Immerhin waren da lauter Fremde und ein Mann hat da dauernd mit einem schwarzen Kasten vorm Gesicht rumgeblitzt. Schwarze Gegenstände sind mir eh etwas unheimlich. Da wollte ich mich gar nicht so gerne auf diesen mit Scheinwerfern hell beleuchteten Platz zu den Kindern setzen. Gemacht habe ich es dann trotzdem, denn die Kinder hatten auch einen Ball, der mich ein bisschen interessierte. Aber Mama habe ich nicht aus den Augen gelassen. Seit neuestem führe ich mich nämlich manchmal auf, als hätte sie mich schon mal ausgesetzt, klebe an ihrem Rockzipfel bzw. Hosenbein und mache Theater. Das funktioniert ganz gut, wenn man Aufmerksamkeit will!
Mama hat mich also nicht lange mitmachen lassen, weil ich das alles so blöd fand. Ich habe zwar nicht geweint, mich aber doch beschwert. Der Fotograf hatte jedoch Verständnis und war auch gar nicht sauer. Er sagte, ich hätte das sehr gut gemacht und dass Kinder und Tiere mitunter am schwierigsten zu fotografieren seien, weil sie immer das machen was sie wollen. Na logisch, seit wann lasse ich mir denn was vorschreiben?!
Nach ein paar Wochen wurden wir dann zu einem Termin eingeladen, an dem die Plakate der Öffentlichkeit vorgestellt wurden. Mama hat mich morgens für den Kindergarten – ich war ja wieder gesund – extra gut angezogen und in mein Kontaktbuch geschrieben, dass ich mich beim Essen nicht so bekleckern soll. Kurz vor Mittag hat sie mich abgeholt. Ich bin dann sogar dem Chef der Lebenshilfe und dem Oberbürgermeister der Stadt Kaiserslautern begegnet. Und das Fotografenteam war auch da und hat mich noch gekannt!
Mama war ganz überrascht, dass ich trotz dem ganzen Geschimpfe auf dem Plakat doch ganz fröhlich aussah. Es war auch gar nicht schlimm, dass ich ein wenig blass war und man sieht auch gar nicht dass ich ein bisschen krank war. Allerdings schaue ich nicht in die Kamera, sondern zu meiner Mama die an der Seite stand. Mich haben die vorgestellten Plakate auf der Leinwand nicht sonderlich interessiert. Aber wie jeder andere Teilnehmer, habe ich mein eigenes Plakat in Kleinformat geschenkt bekommen. Das hat mir gut gefallen, denn ich habe mich darauf erkannt! Und es hängt nun hoffentlich bald gerahmt in meinem Zimmer. Außerdem habe ich für mich und meine Familie auch eine Jahreskarte für die Gartenschau bekommen. Das ist eine tolle Sache und es wird bestimmt lustig, wenn wir bei schönem Wetter zusammen hinfahren. Vielleicht nehmen wir ja auch mal meinen Nachbarn Lukas mit oder die Familien aus dem Kindergarten, mit denen wir manchmal was unternehmen?
Als dann noch einige Wochen vergangen waren, ist Mama auch viele Male von Bekannten angesprochen worden, die mich auf den Plakaten erkannt hatten. Da wussten wir dann, dass die Plakate aushängen und Mama war natürlich sehr stolz auf mich! Sie und Papa sind extra zu einem Plakat hin gefahren um mich zu bewundern. Und das, obwohl sie mich doch jeden Tag zu Hause sehen!
ogar im "Willi" war ich mit dem Kinderplakat und einem Bericht drin! Das ist ein kostenloses Magazin, das an diversen Stellen in der Stadt ausliegt und zum mitnehmen ist. Als Mama das hörte hat sie sofort ein Exemplar besorgt, denn das will sie für mich aufheben, damit ich es mir später, wenn ich groß bin, ansehen kann.
Zum guten Schluss hat sogar noch der Radiosender "Antenne Kaiserslautern" angerufen und wollte mich sprechen. Mama musste ganz schön schmunzeln! Die kannten mich ja nicht und wussten deshalb auch nicht, dass ich meine eigene Sprache habe. Und Gesten kommen im Radio ja nicht so gut rüber. Also hat meine Mama einfach gesagt, ich wäre nicht sehr gesprächig und wurde dann an meiner Stelle mit einem Werbespruch für die Gartenschau vom Sender aufgenommen. Immerhin haben sie mich darin namentlich erwähnt.
Aber ob ich jetzt wirklich ein Star werden will, überlege ich mir noch einmal. Denn eigentlich spiele ich ja viel lieber, als mich andauernd fotografieren zu lassen. Und wenn man da ja doch keine Spiegel und Kämme ablecken darf...
Aber wenn wir ab und zu mal an "meinen" Plakaten in Kaiserslautern vorbei fahren sagt Mama immer: "Schau mal, da bist du drauf Karolina!"
Aufgezeichnet von Monika Mama von Karolina (Juli, 2009)
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